Anhalten verboten! |
„Fahrgäste in Richtung Bernau fahren bis Gesundbrunnen und steigen dort um“, hieß es für fast zwei Jahre z.B. am Bahnhof Schönhauser Allee. Doch was zwischenzeitlich eine Unannehmlichkeit für Berliner S-Bahnfahrgäste war, ist früher selbstverständlich gewesen. Eine direkte S-Bahnverbindung zwischen Schönhauser Allee und Pankow -wie sie am 16. Juni 2003 wieder eröffnet wird- gab es nicht. Ein Rückblick in die fünfziger Jahre: Berlin, aufgeteilt zwischen den Ost- und Westalliierten, wird mehr und mehr gespalten. Es gibt erste Überlegungen die wichtigste Nord-Süd-Strecke Ost-Berlins Schöneweide–Ostkreuz–Schönhauser Allee mit der S-Bahnstrecke quer durch Pankow zu verbinden, um so den Umweg über Gesundbrunnen (West-Berlin) zu vermeiden. Dazu wird eine Gleisverbindung über die vorhandenen Fernbahngleise, die man mit Stromschienen ausstattet, zwischen Pankow und Schönhauser Allee geschaffen. Am 25. Dezember 1952 –während Regierungszeit Josef Stalins in der Sowjetunion– ist Eröffnung der so genannten „Stalinkurve“. Doch der dichte Güterzugverkehr lässt nicht mehr als einen unbefriedigenden Vierzig-Minuten-Takt der S-Bahnen zu. 13. August 1961: Die Mauer zerschneidet Berlin und seine S-Bahn Am 13. August 1961 um 0 Uhr erhalten die Eisenbahner entlang des Grenzgebietes zu West-Berlin den Auftrag den Zugverkehr zwischen beiden Stadthälften zu unterbinden. Weichen werden verschlossen, Gleise versperrt oder ausgebaut, Stellwerke stillgelegt, die Berliner Mauer errichtet. Fahrten zwischen Ost und West sind damit unmöglich geworden. Gerade im Bereich des heutigen Nordkreuzes führt die Grenzsituation zu zahlreichen Problemen. Alle Bahnanlagen liegen auf Ost-Berliner Territorium; auch die West-Berliner Strecke Gesundbrunnen–Schönholz. Gleichzeitig durchfahren Züge aus beiden Stadthälften in großer Nähe das Grenzgebiet. Staatssicherheit und Grenzorgane fürchten Fluchtversuche. Auch der Bahnhof Wollankstraße liegt auf Ost-Berliner Territorium. Die Staatsgrenze verläuft genau zwischen Bahndamm und Nordbahnstraße. So ist er zwar bis 1989 mit Ost-Berliner Personal der Dienststelle Friedrichstraße (Ost) besetzt, aber nur für West-Berliner Fahrgäste zugänglich. Der Bahnhof Bornholmer Straße wird geschlossen. Zwischen den Gleisen am Nordkreuz wird ein zwei Meter hoher Zaun errichtet. Bis Jahresende 1961 sind im Grenzgebiet arbeitende Eisenbahner überprüft und durch linientreue ersetzt. Im August 1961 beschließt das Ministerium für Verkehrswesen den Bau einer eigenen S-Bahn-Trasse zwischen Pankow und Schönhauser Allee. Binnen weniger Monate wird die Strecke geplant und trotz ihrer schwierigen Lage unter laufendem Betrieb fertiggestellt. Am 10. Dezember 1961 –in der Regierungszeit Walter Ulbrichts– wird die „Ulbrichtkurve“ (wie sie heute genannt wird) eröffnet. Mit verschlossenen Türen quer durch’s Niemandsland Für den Zugverkehr im Grenzgebiet gelten strenge Regeln. Sämtliche Züge sind angewiesen, das Terrain mit mindestens 40 Kilometern pro Stunde ohne Halt zu durchfahren. Es sollen hier keine Dampfloks eingesetzt werden, da ihre Rauchschwaden die Sicht behindern. Muss Zugpersonal auf freier Strecke im Notfall aussteigen, ist mit der Handleuchte dreimal dem nächsten Grenzposten zu blinken. Erst nach seiner Antwort, ist es gestattet, den Zug zu verlassen. Es gibt Wechselsprechanlagen an orangefarbenen Pfählen, um mit benachbarten Kontrolltürmen und Fahrdienstleitern Kontakt aufnehmen zu können. Die neugebaute Unterführung der S-Bahn zwischen Bornholmer Straße und Pankow unter der Fernbahn ist von den Kontrolltürmen nicht einsichtig. Darum hat man hier etliche Lichtschranken installiert, die die S-Bahnen erkennen. Läuft allerdings ein Mensch durch den Tunnel, der nicht gleichzeitig mehrere der Lichtschranken unterbrechen kann, wird Alarm ausgelöst. An der Ulbrichtkurve ist die Mauer gefallen Nichtsdestotrotz gibt es mehrere Fluchtversuche. 1984 gelingt es, einen Schnellzug, der vom Norden kommt, per Notbremse zum Halten zu bringen und mit einer Metallleiter den Grenzzaun zu überwinden. Daraufhin wird der Zaun durch eine Betonmauer mit aufgesetzten Rundelementen ersetzt. Das geschieht fünf Jahre vor der letzten Krise der DDR. In einer Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989 erwähnt Günter Schabowski –auf Journalistennachfrage und nahezu beiläufig, da die Veröffentlichung erst für den folgenden Tag vorgesehen war–, dass mit sofortiger Wirkung Genehmigungen für Besuchsreisen und eine ständige Ausreise kurzfristig erteilt würden. Reisen und ständige Ausreisen könnten über alle Grenzübergänge erfolgen. Innerhalb kurzer Zeit strömen Tausende Ost-Berliner an die Grenzübergänge der Stadt. Meldung an die Zentrale: „Wir fluten jetzt“ Die Grenzsoldaten –völlig überfordert, haben sie doch keinerlei Weisungen zur Öffnung erhalten– können den plötzlichen Ansturm nicht mehr stoppen. Einzelne Grenzkommandanten entschließen sich, die Tore zu öffnen. Am Übergang Bornholmer Straße (Bösebrücke) geben sie gegen 23:30 Uhr zuerst dem Druck der Masse nach. Die Berliner Mauer ist gefallen. |
Beitrag in der S-Bahnzeitung Paula 7 anlässlich der Wiedereröffnung der Strecke Schönhauser Allee - Bornholmer Straße.
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