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erschienen in: Berliner Zeitung vom 29. November 2003.

Auf gesunder Wallfahrt nach Bad Wilsnack

August 1383: Raubritter hatten das Dorf gebrandschatzt. Die Trümmer rauchen noch, als dem Priester von Wilsnack in den Überresten seiner Kirche das Wunder wiederfährt. Er findet drei mit Blut befleckte Hostien. Rasch verbreitet sich die Nachricht. Der Bischof von Havelberg bestätigt die „blutenden“ Wilsnacker Hostien als Wunder. Und schon bald strömen tausende Pilger hierher. In der Hoffnung auf Heilung und Straferlass nehmen sie dafür lange Fußmärsche und hohe Abgaben für den Kirchenbau in Kauf. Bis ins 16. Jahrhundert ist Wilsnack einer der fünf bedeutendsten Wallfahrtsorte in Europa. In dieser Zeit entsteht die eindrucksvolle Wunderblutkirche St. Nikolai. Groß wie ein Dom, doch niemals fertiggestellt und deshalb ohne Türme, überragt sie die kleine Stadt.

Tausende pilgerten zum Hostienwunder

Mit der Reformation nimmt die 160jährige Wallfahrtsbewegung ein Ende: Vor versammelter Gemeinde verbrennt 1552 der erste evangelische Pfarrer beim Sonntagsgottesdienst die Reste der Wunderbluthostie. Nun fällt Wilsnack in die Bedeutungslosigkeit zurück. Auch die Industrialisierung hinterlässt nur wenige Spuren. Und so blieb Wilsnack der Charme eines verschlafenen Ackerbürgerstädtchens erhalten.

1906 entdeckt der Stadtförster eisenoxidhaltige Moorerde. Eine Moorbadeanstalt entsteht. Seit den Zwanzigern darf sich das Städtchen Heilbade- und Luftkurort „Bad“ Wilsnack nennen. Heute gibt es neben der Kurklinik auch ein großes Thermalbad mit Saunadorf (Tel.: 038791/8088-0). Gleich am Eingang steht ein Gradierwerk: Von hohen beiden Wänden des Durchgangs tröpfelt warmes Salzwasser, das verdunstet und über Haut und Atemwege aufgenommen heilend wirkt.

Zu den Rittern der alten Wasserburg

Jede Stunde fährt der RegionalExpress RE 2 ab Berlin, z.B. vom Bahnhof Friedrichstraße um 10:06 Uhr. Nach anderthalbstündiger Fahrt erreicht er Bad Wilsnack, z.B. um 11:38 Uhr. Wer gut zu Fuß ist, ein Rad leiht (Hotel Deutscher Hof, Tel.: 03891/7274) oder mit dem Kremser fährt (Ein Bus verkehrt nur an Schultagen um 13:01 Uhr), dem sei zunächst ein Ausflug zur Plattenburg empfohlen. Der 6 km lange, ausgeschilderte Wander- und Radweg führt durch den Wald am Forsthaus vorbei zur größten Wasserburg in Nordostdeutschland. Von 1147 bis zur Reformation war sie Sommersitz der Bischöfe von Havelberg, später im Besitz der Adelsfamilie von Saldern. Mittwochs bis sonntags sind Café, Kapelle und Museum mit Ritter- und Ahnensaal für Besucher geöffnet (Tel.: 03891/2400). Gleich neben der Burg, auf dem ökologisch wirtschaftenden Bauernhof der Familie Schmidt, gibt es einen eigenen Hofladen und im Sommer oder für Gruppen ein Hofcafé. Sie das ganze Jahr über Kremserfahrten an (Tel.: 03891/2518).

Zurück in Bad Wilsnack bietet die Tourist-Information nach Vorbestellung Stadt- und Kirchenführungen. Der Tag klingt im wohlig warmen Wasser aus. Vom Bahnhof fahren jede Stunde z.B. um 18:20 Uhr bis kurz nach Schließung der Therme um 22/23 Uhr die roten Doppelstockzüge zurück nach Berlin.

Alle Telefonnummern zur Tour und weitere Tourenvorschläge sind im Ausflugsportal im Internet des Verkehrsclub Deutschland (VCD) www.mein-tourenplaner nachzulesen. Ein Katalog touristischer Webseiten, Hinweise zum günstigen Bahn- und Busfahren und einige Ratschläge zur Fahrradmitnahme helfen bei der Ausflugsvorbereitung.